Gesehen: Was man von hier aus sehen kann (2022) - Versöhnliche Morbidität

Mehr als von dessen Existenz weiß ich nicht über die Romanvorlage. Deshalb hat mich die morbide Dimension des Ganzen eiskalt erwischt und sofort wieder versöhnlich gestimmt, bevor ich aufgrund einiger halbgarer Wes-Anderson-Manierismen am Anfang des Films schon gedanklich auschecken wollte.
Wie radikal hier Menschen vom Bus überfahren, Hunde von herabfallenden Ladenschildern geköpft und übergriffige Jäger durch das Ansägen ihres Hochsitzes ermordet werden sollen, das ist im Kontext dieser Welt in seiner Absurdität einfach urkomisch.
Doch dann ist der Film auf der anderen Seite unfassbar rührselig. Zwar kenne ich, wie gesagt, die Romanvorlage nicht, aber ich erkenne zumindest die klar erkennbaren Fehler beim Übersetzen von Buch zu Film. Es ist eben nicht einfach damit getan, die literarischen Überhöhungen einfach so in ein Drehbuch zu gießen, denn Film funktioniert nach gänzlich anderen ästhetischen Regeln. Ein poetischer Satz, der gedruckt auf einer Seite steht, daher lesend rezipiert und vor dem geistigen Auge lebendig wird, ist ohne Anpassung auf filmischer Ebene eben tonnenschwerer Schmalz auf einer winzigen Brotscheibe.
Die filmische (lies: zeitliche) Verdichtung des Geschehens sorgt außerdem dafür, dass die Grenze zur Einfalt ziemlich oft ziemlich deutlich überschritten wird. Was eigentlich das Herz am rechten Fleck hat, verkommt hier weitestgehend zu ziemlichen No-Brainer-Glückskeks-Botschaften.
Was in diesem Rahmen aber wiederum recht gut funktioniert, sind die Darsteller:innen die sehr ausgelassen und ekstatisch überhöht ihrem Spieltrieb relativ freien Lauf lassen können, weil ihre Figuren von einem Extrem ins nächste und wieder zurück rutschen.
★★½☆☆
Der Film steht noch bis zum 30. Juli 2025 kostenlos in der ARD-Mediathek:


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