Of Fathers and Sons – Die Kinder des Kalifats (2017) - Ästhetik des Fanatismus
Faszinierend wie ausbeuterisch, ngl.

Sehr ambivalente Gefühle hat dieser Dokumentarfilm bei mir ausgelöst.
Da ist einerseits dieser faszinierende Einblick in die Funktionsweise eines radikalen Systems aus unmittelbarer Nähe. Es zeigt, dass diese „Fußsoldaten" des sogenannten Kalifats ideologisch absolute Dünnbrettbohrer sind. Was die geistige Führung an Weltanschauung konstruiert und propagiert, kommt so weit unten gar nicht mehr an.
So erklärt der Vater als einer der Protagonisten des Films so ziemlich zu Beginn, dass er von diesen und jenen Begriffen fasziniert sei und manche seiner Söhne nach „erfolgreichen" Terroristen benannt habe. Im Auto hört er einfältigste Schlager, die militärische Erfolge des sogenannten Kalifats besingen.
Es ist nicht nur eine Faszination, sondern eine regelrechte Obsession mit Ästhetik. Hier geht es nur darum, die richtigen Begriffe zu verwenden und nicht, sie zu verstehen. Die richtigen Sprüche herunterzubeten und die richtige Fahne vor sich herzutragen.
Dieser Vater kämpft für eine Welt, die er selbst unter vorgehaltener Waffe nicht beschreiben und erst recht nicht verstehen könnte.
Andererseits haftet diesem Film etwas Ausbeuterisches an. Denn während Talal Derki nach zwei Jahren in Syrien nach Deutschland zurückkehren kann, müssen diese Kinder jeden Tag weiter (unbewusst) um den Erhalt ihrer Menschlichkeit kämpfen, weil es sonst niemand für sie tut. Es scheint wahrscheinlich, dass die meisten von ihnen diesen Kampf verlieren werden. Es wirkt grausam, dass der Film ihnen derart nah kommt und sie letztlich doch untätig ihrem vermeintlichen Schicksal überlässt.

