Gesehen: No Home Movie (2015) - Erodieren im Sturm der Zeit
„I am not gone, yet."

CN Suizid
Vor allem vor dem Hintergrund, dass Chantal Akerman etwa anderthalb Jahre nach dem Ende der Aufnahmen für diesen Film und dem Tod ihrer Mutter im Veröffentlichungsjahr von NO HOME MOVIE Suizid beging, ist das ein sehr bedrückender Film.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass Akerman selbst kaum im Film zu sehen ist – und wenn, dann fast immer von hinten oder in einer Spiegelung. Sie macht sich nur selten zum Teil des Motivs, bleibt damit immer nur Zuschauern und Besucherin dieses Lebens ihrer Mutter.
Diese Bilder haben außerdem etwas Beklemmendes und fast schon Lauerndes an sich, wie man es sonst etwa von Michael Haneke kennt. Dadurch entsteht eine interessante Dissonanz der Bilder, die einerseits eine vertraute wie sichere Umgebung zeigen sollten, andererseits jedoch auch die Fremde, das Dasein als Tourist:in in dieser Welt heraufbeschwören. Der Titel des Films spricht hier Bände.
Als ob etwas nicht mehr so ist, wie es einst oder vielleicht sogar nie war.
Akerman dokumentiert hier nicht nur die letzten Monate im Leben ihrer Mutter, sondern gewissermaßen auch in ihrem eigenen Leben – ob nun bewusst oder nicht. Gemeinsame Erinnerungen, Orte und Menschen erodieren im Sturm der Zeit.
I am not gone, yet.
Das sagt Chantal Akerman in einem Moment zu ihrer Mutter. Da sie Französisch spricht (und ich es nicht richtig verstanden habe), bin ich mir nicht sicher, ob auch dort diese bittersüße Doppeldeutigkeit aufgeht wie in der englischen Untertitelung. Sie spricht vom Besuch bei ihrer Mutter. Aber meint sie vielleicht auch ihr Leben?

