Gesehen: Die Wilden Hühner (2006) - Finster und trostlos
Damit habe ich wirklich nicht gerechnet.

Prolog: Obwohl ich noch nie Berührungspunkte mit ihrem Werk hatte, habe ich mir die gut sechseinhalb Stunden Alles gesagt? mit Cornelia Funke angehört. Das war insofern bereichernd, weil sie wirklich eine zu mir grundverschiedene Sicht auf Kunst allgemein und Film insbesondere hat, was im produktivsten Sinne sehr irritierend für mich war. Also dachte ich mir: „Schau ich mir doch mal an, was die Verfilmungen ihrer Bücher können, die sie als gut bezeichnet hat."
Wie unterm Strich trostlos dieser Film, wie finster diese Themen sind und wie selbstverständlich das in die Gedankenwelt dieser Preteens verwoben wird, wie konsequent auf Augenhöhe das alles passiert, das hat mich dann doch überrascht.
Zentral war für mich das Thema der (fehlenden oder falschen) Vorbilder, die heute etwa mit den Pearl Davises und Andrew Tates dieser Welt wieder mit enormer Vehemenz in derartige Erzählungen drängen.
Da ist die Oma, die klare Vorstellungen von der Rolle und den Aufgaben einer Frau hat und keine Abweichungen davon billigt. Da ist die alleinerziehende Mutter, die praktisch nie präsent ist, weil sie immer arbeiten muss und das Geld trotzdem ständig noch zu knapp ist. Vom Vater fehlt jede Spur. Dann ist da natürlich das Mädchen, das sich sein sicheres Umfeld ohne Anleitung selbst schaffen muss. Wie selbstverständlich diese Kinder in diesem Alter um diese ökonomische Unsicherheit wissen und damit in ihrem Alltag umgehen, ist so bitter wie angemessen realistisch.
Krass ist auch die konkrete Präsenz körperlicher Misshandlung von Kindern. Noch krasser, aber eben auch sinnbildlich für eine breite Gesellschaft, ist, wie Schutzbefohlene immer genau dann Konsequenz vermissen lassen, wenn es wirklich drauf ankommt.
Immer mit den Daten im Hinterkopf, dass die Buchvorlage mehr als 30 Jahre und diese Verfilmung fast 20 Jahre alt ist, zeichnet der Stoff ein schön vorwärtsgewandtes Bild von Mädchen, die sich natürlich auch im Wald schmutzig machen dürfen, auf dem Bauernhof mitarbeiten können und ganz selbstverständlich in den Augen älterer Generationen „unmädchenhafte" Dinge tun.
★★★½☆

